Abendhimmel

Der Sprung in die Dämmerung

Als ich am 13. Oktober den Artikel zu der Wunschliste meines Lebens (aka Bucket List) geschrieben habe, habe ich nicht einmal im Traum daran gedacht nur 6 Tage später einen Punkt streichen zu können.

Aber mal von Vorne…

Luft oder Wasser

Es ist ungefähr zwanzig Jahre her als ich mich entscheiden musste. Mache ich einen (Fallschirm)Sprungschein oder einen Tauchschein. Ich hatte mich nach einigen Tagen und Nächten und Gesprächen für den Tauchschein entschieden.

Es erschien mir wahrscheinlicher, tauchen zu gehen als ausreichend oft Fallschirm zu springen. Das mir dann einmal die Zeit, der ‚Verlust‘ meines Tauchpartners (durch Umzug) und danach das Asthma ein Strich durch die Rechnung machen sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Rückblickend war es aber dennoch keine schlechte Idee. Der Tauchkurs und die anschließenden Tauchgänge, wenn auch nur in deutschen oder österreichischen Seen, waren genial! Die möchte ich nicht missen.

Aber all die Jahre schaute ich immer ein wenig sehnsüchtig zum Himmel, wenn ich dieses satte Geräusch des sich öffnenden Fallschirms höre.

Da war die Gelegenheit

Und dann, am 18. Oktober 2014 war es dann soweit. Da bin ich mit meiner Familie auf dem Flugplatz in Bad Dürkheim und es ist das große Sprungwochenende. Es herrscht ein riesiger Trubel. Nur mit Glück können wir einen Platz an einem der Tische im Außenbereich des Cockpits, das dem Flugplatz angeschlossenen Restaurant, erhaschen. Dauernd erhebt sich die, für dieses Wochenende extra herbeigekommene, Pink Skyvan in die Luft um die Fall- und Tandemspringer aus ihrem großen Bauch auszuspucken.

Es gibt Freaks, die stürzen sich quasi nur runter und landen noch mit einem Affenzahn, Minuten bevor der Rest der Springer landen. Andere versuchen kleinere Formationen zu springen und dazu dann immer die Tandemspringer.

Es ist ein wunderbar sonniger Tag und das Ende Oktober! Es hat gute 20 Grad. Ich stehe viel am Zaun und bestaune mit dem Nestling die Maschine, die Springer, die Landungen,…

Irgendwann, zurück am Tisch, mache ich meiner stillen Sehnsucht Luft und direkt greift ein Mann das Gespräch auf und meint, dass das Wochenende perfekt für ein Tandemsprung sei. Das Wetter passt. Aus einer Pink zu springen zusätzlich ein besonderes Erlebnis.

Da war die Saat dann gesät…

Es dauert noch eine ganze Weile, bis ich mich dazu entschließe ‚es‘ dann doch zu tun. Vor dem Vergnügen kommt aber erst die Arbeit. Gar nicht so einfach spontan einen freien Platz zu bekommen. Der Samstag war schon komplett voll und für den Sonntag gab es mehr als ausreichende Reservierungen.

Da ich mich aber entschlossen hatte, ist aufgeben keine Option mehr. Am Sonntag sind wir dann zeitig zum Cockpit gegangen und ich habe mich um einen Platz bemüht. Ich kann aber nur darauf hoffen, das noch ein weiterer Aufstieg eingeschoben wird oder eine Reservierung absagt. So haben wir den Tag bei schönstem Sonnenwetter auf der Terrasse des Cockpits verbracht und ich dann immer wieder nachgehakt.

Tandemsprung ich komme

Dann bekomme ich die Option auf einen freien Slot! Das bedeutet, ich mache einen Fallschirm Tandemsprung! Jetzt muss ich noch den Tandem Master finden, der mit mir springt. Auch nicht so einfach. Denn wer ist denn gegen Ende des Tages noch da – und wer springt mit einer Ballast von über 90 Kilogramm?! Letztlich habe ich aber einen Master, Stefan, gefunden der mich mitnimmt!

Aus irgendwelchen Gründen verschiebt sich mein Absprung immer weiter nach hinten und letztlich mache ich mich dann um kurz vor siebzehn Uhr für meinen Sprung bereit. Es ist der letzte Aufstieg des Tages. Wir springen in die angehende Dämmerung hinein. Nett, ist mein Gedanke – nicht wissend, wie das dann sein wird.

Die Vorbereitungen und das Briefing sind kurz. Es gibt nicht so viel zu wissen für mich. Schwieriger wird es dann mit dem Overall. Den gibt es nur in zwei Nummern zu klein und ich sehe dann alles andere als entspannt da drin aus. Eher unvorteilhaft aber ich gehe ja nicht zu einer Modeschau!

Gegen fünf Uhr gehe ich dann also in die Maschine und setze mich in den Bauch der Maschine. Fast ganz vorne bei den Piloten, mit der Möglichkeit aus dem Fenster zu sehen. Da sitze ich nun auf dem Boden der Pink, lehne mich an die angewinkelten Beine von Stefan, meinem Master, und warte. Total neugierig versuche ich alles in mich aufzunehmen – nur blieb vieles einfach nicht ‚haften‘. Flux ist die Maschine gefüllt. Mit einem Donnern starten die Maschinen und verfallen sehr schnell in einen beruhigenden Rhythmus. Während sie langsam losrollt und ihre Position einnimmt, schließt sich brummend und summend das Heck und mir bleibt nur noch der Blick aus dem Fenster.

Es ist laut. Es riecht nach Abgase und es ist unbequem. Später wird es dann noch kalt. Angespannt sitze ich da und warte auf den Start. Der erfolgt recht zügig und mit einer gefühlten Eleganz nimmt die Pink Fahrt auf und steigt auf. Der Aufstieg dauert dann gute 20 Minuten. Wir haben immer noch bestes Wetter. Blauer Himmel mit ein paar wenigen Wölkchen. Der Blick aus dem Bullauge ist noch unbequemer, da es für meine aktuelle Sitzposition viel zu hoch angebracht ist. So sinniere ich vor mich hin und habe irgendwie noch nicht so ganz erfasst, was gleich passiert.

Der Sprung in die Dämmerung

Ich bekomme nicht mit, wie das Sprunglicht umschaltet. Plötzlich kommt Bewegung in die Passagiere. Alle stehen auf und es werden die letzten Überprüfungen vorgenommen. Dann öffnet sich der Schlund und sofort lassen sich die ersten aus der Maschine fallen. Nach und nach zuckeln wir weiter nach vorne. Da ich bei Stefan schon eingehakt bin und theoretisch unter ihm bin, ist das sehr unbequem. Ich muss im Watschelgang nach vorne tapsen. In der Zwangshaltung alles andere als angenehm und anstrengend! Dann stehen wir an der Kante, Stefan fragt noch einmal ob alles gut sei und als ich bejahe, falle ich schon…

[bs_well size=“md“]Mir bleibt direkt die Luft weg. Ich falle![/bs_well]

Ab diesem Moment ist alles anders. Da rauscht das Adrenalin brüllend durch meine Adern und ich muss mich aktiv auf das Atmen konzentrieren. Die Atmung wieder unter Kontrolle und wieder in den Automodus gesetzt, schaue ich mich um. Unter mir sehe ich nur zwei Dörfer. Aber wo ist der Rest? Hier sind viel mehr Dörfer! Echt viele! Und ein See. Nichts zu sehen. Da sind wir aber ganz falsch abgesetzt worden!

Ich weiß nicht, wie lange der freie Fall dauerte aber wir sind bei 4200 Meter aus der Maschine und Stefan hat bei 1300 den Schirm geöffnet. Dazwischen liegen nicht wirklich viele Sekunden.

Später, also am Tag drauf, kann ich mich dann auch wieder an mehr Details erinnern. So auch an den genialen Himmel. Das Licht. Die Farben. Die aufziehende Dämmerung. Ein nicht zufassender Eindruck.

Mit zunehmend weniger Metern zwischen mir und dem Boden wird mir klar, dass die zwei Dörfer die Städte Neustadt und Bad Dürkheim sind!! Von wegen Dörfer. Wir waren einfach so weit oben.

Je tiefer wir kommen, desto ungemütlicher wird es dann. Es sind Winde aufgekommen, die den Anflug erschweren und die Landung dann ein wenig ruppig werden lassen. Aber wir kommen unten an. Heil und glücklich.

Ich spüre noch immer mein dickes, breites Grinsen, welches ich hatte. Mir gehört die Welt. Yes! Was für ein Gefühl.

Keine Zeit

Aber da es spät war und wir noch packen und heimfahren müssen, bleibt keine Zeit den Augenblick zu genießen, auszukosten und zu teilen.

Wohl koordiniert packen wir zusammen. Der Nestling sitzt ermattet in seinem Sitz und wir fahren zurück nach Heidelberg. Ich bin recht ruhig und für das Ereignis einfach zu cool. Klar war es ein toller Sprung aber ehrlich? Was machen alle so einen Hype drum?

Zuhause angekommen, liege ich dann im Bett und merke langsam das Ziehen an Schultern und Hüfte. Die Gurte haben dann doch ordentlich eingeschnitten und es gab kleinere Verfärbungen. Schlafen kann ich aber wie ein Baby.

Der Tag danach oder auch Kaboom!

Am nächsten Morgen fahre ich dann zu erdfisch und als ich an einer roten Ampel halte passiert es. All die Eindrücke und Bilder und Emotionen prasseln auf mich ein. Ich zittere. Bin wie geflasht. Froh nicht mehr weit fahren zu müssen.

Da hat mich das Ereignis dann doch eingeholt. Vorbei war die Coolness. Jetzt brauche ich erst ein paar Stunden um mich mit dem Geschehenen zu synchronisieren. Nach und nach verarbeite ich nun alles. Die Freude. Die Angst. Die Neugierde. Dieses Überwältigt sein.

Ich will jetzt nicht sagen, dass mich das Ereignis verändert hat aber mir ist der Spruch

„Sammle Augenblicke statt Dinge“

erst einmal wirklich in mich gegangen. Insgesamt hat der Sprung doch etwas ausgelöst. Ich nehme insgesamt mehr wahr. Das spielt dann auch wieder eng mit dem Thema Achtsamkeit und Glücklich sein zusammen.

Abschließend möchte ich nur sagen, dass das ganze zwar ein wenig überstürzt passiert ist, ich mir aber vorgenommen habe, noch einmal zu springen. Dann allerdings geplanter. Etwas besser vorbereitet und mit ausreichend Zeit im Anschluss.

Aber zuvor ein wenig abnehmen. Noch einmal möchte ich nicht mehr so einen Stress haben, einen Master zu finden, der mich mitnimmt. 😉

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Frank Holldorff ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Drupal-Agentur erdfisch aus Heidelberg. Vater aus Freude. Kaffee-Junkie aus Leidenschaft. Drupalist aus Überzeugung. Selbstmanagement-Autodidakt aus Notwendigkeit. Gadget Liebhaber und Serienfan.

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